SPD-Parteitag in Barsinghausen vor 60 Jahren

Kurt Schumacher sprach auf einer Großkundgebung im Waldstadion

 

Vor der ersten Kommunalwahl in Niedersachsen nach dem 2. Weltkrieg fand in Barsinghausen vom 17. bis 18. August mit dem Parteitag des SPD-Bezirks Hannover ein politisches Großereignis statt. Höhepunkt war eine Rede des SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher vor Tausenden von Zuhörerinnen und Zuhörern auf dem Gelände des Waldstadions.  

Knapp eineinhalb Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges waren die Wunden des Krieges noch ganz frisch. Die Städte und Verkehrswege waren zerstört und erst wieder in Ansätzen aufgebaut, die Versorgungslage war kritisch, Flüchtlinge kamen auch nach Barsinghausen. Vor allem aber gab es eine große geistige und kulturelle Wunde, die noch lange brauchte, bnis sie sich schloss.

Es waren persönliche Beziehungen, die dazu führten, dass dieser Parteitag in Barsinghausen stattfand. Kurt Schumacher war mit dem damaligen Barsinghäuser Gemeindedirektor und späteren Bürgermeister Wilhelm Hess persönlich bekannt – beide hatten gemeinsam im KZ gesessen und schon vor dem Kriegsende konspirativ am Wiederaufbau der SPD gearbeitet. Im Mai 1946 hatte in Hannover mit dem Reichparteitag der formale Wiederaufbau der SPD mit einer einheitlichen Führung unter Kurt Schumacher stattgefunden, der Bezirksparteitag in Barsinghausen war Teil des weiteren organisatorischen Wiederaufbaus.

Damit fand nach der Reichskonferenz  der SPD 1945 in Wennigsen ein zweites politische Großereignis jener Jahre am Deister statt.

Der SPD-Parteitag 1946 fand im Hotel Kaiserhof am Ende der Linie 10 statt. Die Neuwahl des Bezirksvorstandes und politische Referate zur aktuellen Lage, darunter auch der Lage der Flüchtlinge und der Ernährungslage standen auf der Tagesordnung.

Unter welchen schwierigen Bedingungen der Aufbau der Demokratie kaum 1 ½ Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur stattfand, ist aus einem „Merkblatt für die Delegierten des Parteitages“ zu entnehmen.

So mussten die Delegierten eigenes Essbesteck für die Mittags- und Abendessen in der Gaststätte Volker an der Rehrbrinkstraße mitbringen, weil diese nicht gestellt werden konnten.

Für die Delegierten, die infolge der schwierigen Verkehrsverhältnisse am Sonntagabend Barsinghausen nicht verlassen konnten, wurde im Hotel Kaiserhof „Musik“ geboten.

 

Höhepunkt dieser Veranstaltung war die Kundgebung, die am Ende des Parteitages auf dem Gelände des Waldstadions durchgeführt wurde. Tausende (manche sprechen von bis zu 10.000) Menschen waren teilweise aus größeren Entfernungen nach Barsinghausen gekommen, um Kurt Schumacher zu hören. Was das bei den damaligen Transportwegen bedeutet, ist heute nicht mehr vorstellbar.

 

Kurt Schumacher wies in seiner kämpferischen Rede auf die seelischen und kulturellen Verwüstungen durch das Dritte Reich hin und rief dazu auf, neben dem politischen Aufbau auch diese Bereiche mit zu bedenken. Er machte damit sehr deutlich, dass für die SPD Politik schon immer mehr war, als der formale Akt der Demokratie. Dabei skizzierte er die politischen Vorstellungen der SPD für den Wiederaufbau der Demokratie in Deutschland. Gebannt folgten die Menschen seinen Ausführungen und in einem beeindruckenden Zeitdokument hat Marie Heß, die Frau des Barsinghäuser Gemeindedirektors, vor dem Krieg Mitglied in der Reichsleitung der SPD beschrieben, welchen Eindruck Schumachers Rede auf die Zuhörerinnen und Zuhörer gemacht haben muss.